Freitag der 24. April 2015: es regnet bei 28°C und völliger Flaute. Die Zeit vergeht viel zu schnell – wir wollten doch häufiger Berichten aber schon wieder sind Ewigkeiten vergangen.
Wir lassen uns Zeit und lernen den Alltag auf Martinique ausgiebig kennen, natürlich geht es uns wie vielen anderen dabei, die erst einmal in der Karibik angekommen sind: wir vergessen das alte Europa und vieles andere in unserem Kielwasser.
Die Einheimischen sind toll!
In unserem Internet- Lokal in Sainte-Anne gehen wir nach belieben ein und aus ohne zwingend eine Bestellung aufzugeben, denn unser Eis wird schon fast automatisch serviert. Die Servicekräfte behandeln uns wie Inventar – aber das ist ganz normal hier.
Von Zeit zu Zeit fahren wir mit dem Bus nach Le Marin (ca. 10km entfernt) und einmal wurden wir von einem Anwohner an der Haltestelle Sainte-Anne angesprochen. Er erklärte uns, das er gleich um die Ecke wohne und das wir unter einem Parfümbaum stehen, aus dem tolle Düfte für die Damenwelt gemacht werden. Er war auch schon einmal in Deutschland und zählte uns einige süddeutsche Städte auf, nur Hamburg kannte er nicht, dafür aber den HSV. Zusätzlich versuchte er uns ein paar kreolische Worte beizubringen, die bei uns allerdings nicht hängenblieben. Das ganze Gespräch fand natürlich in einem Gemisch aus Französisch, Englisch und ein paar Worten Deutsch und Kreolisch sowie vielen Pantomimen statt – es machte einfach Spaß.
Bei einem Restaurantbesuch in Saint-Pierre gab es einen spontanen karibischen Handschlag vom Gastwirt – geht das in Deutschland auch? – wir haben es bisher nur hier erlebt.
Bei einigen Spaziergängen, die uns an kleinen gutbesuchten Grillplätzen vorbeiführten, wurden wir ganz einfach auf Französisch-englisch-händischUNDfüßisch angesprochen, uns doch einfach mal dazuzugesellen. Nur irgendwie sind wir noch zu sehr in unserer alten Welt verwurzelt und wenn wir einen Spaziergang geplant haben, dann können wir den Plan doch nicht einfach mit wildfremden Menschen in einen Grillabend ändern – aber wir wollen unsere neue Lebensart ja noch erlernen.
Und manchmal stellt man sich als Fremder ja auch ein wenig dusselig an – dabei ging es schließlich um einen Schattenplatz in der Mittagssonne für ein kleines Picknick zusammen mit den Crews der Shogun und der Papillon. Einige Einheimische stoppten ihr Auto, um uns über die gefährliche Lage aufzuklären. Unser schattenspendender Baum war nämlich ein giftiger „Le Manceniller“ der Verätzungen verursachen kann und in der Vergangenheit sogar für vergiftete Pfeilspitzen verwendet wurde. Diese Bäume sind alle mit rotweißen Markierungen versehen, die wir nur leider irgendwie übersahen – wir hatten wohl Glück, uns ist nichts passiert.
An die Temperaturen haben wir uns auch nach so langer Zeit immer noch nicht vollständig gewöhnt, wir frieren zwar inzwischen schon bei abendlichen Temperaturen unter 26°C aber auch die Mittagshitze erscheint uns nicht ideal für große Anstrengungen. Den ersten Schweißausbruch des Tages erleben wir um unser Beiboot klar für den Landausflug zu machen, übrigens unsere einzige Landverbindung – wie das Auto in Deutschland um zur Arbeit zu fahren. Wenn wir es sportlich halten wollen, paddeln wir das Stück sogar an Land und erliegen damit dem zweiten großen Schweißausbruch des Tages – dann brauchen wir in der Regel dringend eine Erholung. Manchmal scheuen wir allerdings keine Anstrengung und unternehmen ausgedehnte Landgänge und dabei gehen wir inzwischen auch schon mal unterschiedliche Wege, denn wir sind ja sonst Tag für Tag 24 Stunden zusammen – wo sonst kann man das erleben?
Wir kennen inzwischen das Umland von Sainte-Anne fast genauso gut wie die heimische Schlei, nur erleben wir hier eine viel größere Vielfalt an Landschaften, Tieren, Prachtgärten und Wohnstätten die auch als Müllhalde dienen.
Helge unternahm zusammen mit Susi von der Shogun einen acht Stunden Mamut- Marsch hinauf auf den „Créve Coeur“ (200m), von dem es nach einem atemraubenden Aufstieg einen super herrlichen Ausblick auf Le Marin mit seiner großen Reede gab. Die Krönung allerdings war ein ganz kleiner Vogel, ein Kolibri, der von Blüte zu Blüte schwirrte und einmal sogar lange genug an einer Stelle blieb, um sich mit der Kamera ablichten zu lassen.
Ein Anwohner präsentierte uns stolz seine Ziegen, die er zu einem neuen Weideplatz führte. Wir fragten ihn, ob wir ihn denn fotografieren dürften – und kaum gefragt stand er freudestrahlend in Pose.
Kühe, Ziegen, Schafe, Hühner und Schweine gehören hier zum täglichen Leben und sind somit auch in vielen Gärten anzutreffen und sogar auf der Straße keine Seltenheit. Da hier viele Bullen einsam am Pflog aber ohne Zaun direkt neben der Straße bzw. dem Bürgersteig grasen, gucken wir als Stadtkinder schon mal etwas skeptisch bei so einem Riesenvieh. Dabei ist uns aufgefallen, daß die meisten Bullen am Gehsteigrand entweder friedlich vertieft grasen oder den vorbeilaufenden Röcken interessiert hinterherstieren – Jungs werden ignoriert. Das ist wie bei den Menschen – die Bullen sind halt auch nur Kerle.
Zur Zeit liegen wir übrigens in Le Marin vor Anker direkt neben dem Yachtreporter Johannes Erdmann und Cati mit ihrer Maverick too.
Viele Grüße aus Le Marin, Martinique (FR), Karibik
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind