Wenn man wie wir etwas länger an einem Ort bleibt, lernt man durchaus auch mal Einheimische kennen. So kamen wir mit den Marina- Angestellten ins Gespräch, wir waren ja sozusagen Nachbarn, so daß ein Klönschnack nicht ausbleibt. So plauderten wir immer wieder intensiv mit Ricardo.
Er lud uns spontan zu sich nach Hause ein! Ein Blick auf Ricardos Dienstplan, und auf unsere Laufereien und so fanden wir am 29. April 2016 einen passenden Termin.
Ricardo beendete seine Schicht früh morgens, um dann mit uns gemeinsam seinen Tag zu verbringen. Von der Marina aus nahmen wir den Bus für Einheimische in die Innenstadt Cienfuegos, wo wir für uns einen Blick in eine Zigarrenfabrik geplant hatten während Ricardo seinem Schwiegervater bei der Reparatur einer Wasserpumpe helfen wollte.
Die Zigarrenfabrik war klein, es gab keine Erklärungen trotz hohem Eintrittsgeld und aufwendigem Kartenkauf mit Registrierung. Aber wir konnten zumindest einen Eindruck gewinnen wie die „Havannas“ Blatt für Blatt aufgerollt werden. Fotos in der Produktionshalle waren allerdings verboten und so konnten wir nur von außen durch ein Fenstergitter einen Schnappschuß machen.
Danach ging es mit Ricardo nach Hause. Er wohnt auf dem Land etwa 28 km von seiner Arbeitsstätte entfernt und so organisierte er ein Taxi. Das gab einige Diskussionen, denn Einheimische und Touristen zahlen unterschiedliche Preise und die meisten Touristen zahlen für kubanische Verdienstverhältnisse überirdisch viel. Uns ging das „ausgenommen werden wie eine Weihnachtsgans“ irgendwie gegen den Strich. Ricardo handelte letztendlich einen passablen Preis zwischen den Welten heraus.
Auf dem Land, bei Ricardo angekommen, war es so ganz anders als in Cienfuegos. Von Luftverschmutzung war nichts mehr zu spüren – klare Landluft – und die Hektik der Stadt war ausgetauscht durch ländliche Ruhe. Also erst einmal der Familie „Hallo“ sagen und dann ein wenig ausruhen. Da waren Marisol, Ricardos Frau, Dunia und Daimi, die Töchter, die mit den Enkelkindern Susal, Salet und Nadia gleich nebenan wohnen. Das Wohnzimmer, die Veranda und auch die Straße sind der Lebensraum zum gemütlichen Verweilen im Schaukelstuhl, denn Schaukelstühle hat hier einfach jeder.
Dann zogen Ricardo und Helge durch den Ort um die Zutaten zum Mittagessen zu besorgen, während Asha mit den Enkelkindern spielte.
Marisol bereitete danach das Essen. Es gab frittierte Bananen, frisches Schweinefleisch, Reis mit Bohnen und einen Tomatengurken-Salat – typisch kubanisch. Mit Ricardo führten wir lange Gespräche über das tägliche Leben. Marisol verstand kein Englisch, so daß wir uns mit Händen und Füßen verständigten, wenn Ricardo mal nicht übersetzte.
Ricardo erzählte uns etwas über das normale Leben, die Durchschnittsfamilie, auf Kuba. Die Meisten haben ein Monatseinkommen von umgerechnet 20 € und dazu Bezugscheine. Für viele ist inzwischen der zweit oder Dritt- Job selbstverständlich, denn seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kann man von einer Arbeit nicht mehr leben. Am besten geht es den Leuten, die mit dem Tourismus ihr Geld verdienen, denn die Touristen zahlen wie Krösus und geben zusätzlich großzügige Trinkgelder.
Um Ricardo die Türen ins Tourismusgeschäft etwas weiter zu öffnen brachten wir ihm und seiner Familie ein Deutschkursbuch als Geschenk mit, da viele deutsche Touristen auf Kuba sind und er daher gerne unsere Sprache lernen möchte.
Wir waren eingeladen uns ganz wie zu Hause zu fühlen, was uns allerdings ein wenig schwer fiel, da alles so ganz anders war. Es gibt z.B. kein fließendes Wasser. Ein Faß vor der Tür, das regelmäßig aus dem nahen Brunnen gefüllt werden muß, ist Ersatz dafür.
In den Nachmittagsstunden unternahm Ricardo mit uns eine Fahrt mit dem Pferdefuhrwerk, dem üblichen Beförderungsmittel, zu einer ständig fließenden Mineralquelle, die von den Bewohnern Drumherum auch als eine der wenigen Duschmöglichkeiten genutzt wird. In dem kleinen Fluß nebenan wuschen die Landbesitzer auch ihr Arbeitsgerät, die Pferde.
Im Anschluß ging es zurück zu Ricardos Familie um noch ein wenig zu klönen und dann wieder zurück in unsere Welt zu fahren.
Wir nahmen auf dem Rückweg den LKW-Bus, den Ricardo zur täglichen Fahrt zur Arbeitsstätte nutzt. Eigentlich ist der LKW-Bus nur für die Einheimischen aber man ließ uns dank Ricardos zureden mitfahren!
Bemerkung: Mit dem Besuch von Ricardos zu Hause durften wir einen Eindruck bekommen, wie es bei den meisten Kubaner aussieht – Hotels, Clubs, schicke Casas, Historische Zentren sind nicht der Kubanische Alltag.
Viele Grüße aus der Karibik
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind