Es wird ja wirklich Zeit, das wir uns wieder einmal melden!
Kaum zu glauben aber das tägliche Leben verschlingt auch bei uns so mancherlei: „Wir wollten doch noch!“, aber das kennt Ihr ja… .
Unser neues Crewmitglied hat sich inzwischen super eingelebt und sich auch an den Einsatz zur Schwerstarbeit als Großraumtransporter gewöhnt. Ein Dingi für Langfahrtensegler muß halt mehr leisten als ein Spaßdingi auf der Ostsee.
Wir sind nun schon über vier Monate in unserem Zyklonversteck und haben inzwischen den Einen oder Anderen kennengelernt und auch zum Freund gewonnen. Dabei leben wir tatsächlich in einem Land mit zwei Kulturen.
Die Melanesier, also die Urbevölkerung Fidschis konzentriert ihr Leben auch heute noch auf kleine mehr oder weniger entwickelte Dörfer mit einem Chief, der irgendwie als Bürgermeister gilt, aber doch mehr ist und unter anderem auch die Polizeifunktion wahrnimmt und eigentlich fast wie ein Vater für alles ist.
Vor einiger Zeit besuchten wir unsere melanesische Freundin Mili und ihre Familie. Dazu mußten wir einige Regeln einhalten. Zum Einen mußten wir einen Sulu tragen – so gab es Helge das erste Mal mit „Rock“ zu sehen – und Milis Mutter mußte unseren Besuch und das was wir in dem Dorf machen wollten und durften mit dem Chief absprechen. Natürlich konnten wir uns in Milis Haus bei ihrer Familie frei bewegen, aber im Dorf wurden wir von Mili oder ihrer Mutter immer begleitet. Als Ehrengäste wurden wir zusammen mit der Gesangtruppe des Dorfes ins benachbarte Resort gefahren und waren Teil der Gesang- und Tanzaufführung für die Luxustouristen des Resorts. So durften wir allerdings keine Fotos machen und jeder aus der Gesanggruppe zog uns einfach mit in die richtigen Positionen. Diese Art der Vorführungen sind eine der wenigen Möglichkeiten für das Dorf Geld für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft zu verdienen. Es war ziemlich gewöhnungsbedürftig für uns in die richtigen Positionen geschoben zu werden und auch einen oder mehrere Begleiter bei uns zu haben aber wir hatten viel Spaß gemeinsam und wurden am späten Abend im Gemeindehaus sogar zu einer Kawa- Runde eingeladen – auch das natürlich strikt geregelt im Wechsel zwischen Händeklatschen, Trinken und Reden. Die Kawa- Runde ist eine traditionelle, gesellschaftliche Zeremonie in der man ein aus Pflanzen hergestelltes berauschendes Gebräu zu sich nimmt. Es ist für die Melanesier ein wichtiger hochgeachteter Bestandteil ihrer Kultur.
Ein ganz anderes Erlebnis hatten wir vergangene Woche, als wir mit dem öffentlichen Bus in einer gut zweistündigen Tour quer über die Insel nach Labasa gefahren sind. Als erstes genossen wir die Bustour in die höher gelegenen vulkanischen Gebiete. Es war angenehm kühl und das nur mit offenen Fenstern. Die Landschaft auf dem Hochplateau bot einen tollen Ausblick auf tropische Regenwälder, Plantagen und Dörfer – eine echte Abwechslung zu unserem Savusavu. Auf dem Busbahnhof in Labasa wurden wir von einem wuseligen Treiben empfangen. Man hatte uns im Vorfeld schon erzählt, das Labasa als indische Stadt gesehen wird und tatsächlich hatten wir bei dem Besuch den Eindruck, daß es hier kaum Melanesier auf den Straßen gibt. Wir waren nach Labasa gekommen um ein wenig mehr von der indischen Kultur mitzubekommen und nun standen wir mittendrin. Uns zog es in den größten hinduistischen Tempel auf der Insel, den Sangam Tempel. Etwas zurückhaltend lasen wir am Eingang ein Schild mit der geforderten Kleiderordnung, der wir so gar nicht entsprachen. Aber da kam auch schon jemand auf uns zu und lud uns trotzdem ein seinen Tempel kennenzulernen. So bekamen wir eine private Führung um mehr über Vishnu und Shiva und die Glaubensregeln im Tempel zu erfahren. Anschließend führte uns Chalmaiya ins Büro um den Präsidenten der Anlage, die zusätzlich zum Tempel noch eine Schule, eine Krankenschwesternausbildungsstätte, sowie einige Handelsgebäude umfaßt, bei einem Kaffee kennenzulernen. Asha hatte mit ihrem indischen Namen dabei echtes Interesse geweckt und so vertieften wir uns ausgiebig ins Gespräch, so das wir gleich noch zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen wurden. Die Übernachtung beim Präsidenten und seiner Familie lehnten wir dann aber doch ab und nahmen den letzten Bus nach Hause.
Wir erleben hier wie zwei Kulturen, die Ureinwohner, also die Melanesier und die indisch stämmigen Fidschianer, die durch die Kolonisation hergekommen sind, nebeneinander leben und in ihrem Verhalten sehr deutliche Unterschiede zeigen.
Die Melanesier schauen vielfach grimmig drein, haben aber doch meist ein freundliches „Bula“ (hallo) für uns und untereinander übrig. Wir treffen sie nur mal eben zum Einkaufen oder zum Arbeiten in den großen Orten wie Savusavu. Wenn wir mit ihnen reden, erzählen sie hauptsächlich vom Fischen, von ihrer Familie und vom Dorfleben. Die Kinder lernen Englisch als Amtssprache in der Schule. Zuhause wird „Fidschi“ gesprochen.
Die indisch stämmigen Fidschianer leben hauptsächlich im Ort, sind meist geschäftig, sitzen hinter dem Steuer oder an den Supermarktkassen und sagen so gut wie nie „hallo“. Auch deren Kinder lernen die Amtssprache Englisch in der Schule, aber sie sprechen zu Hause ihre indische Heimatsprache. Im Ort begegnen uns immer wieder indisch aussehende Frauen mit einem blauen Auge oder Kinder mit blauen Flecken – Gewalt in der Familie ist hier ein eigentlich nicht ausgesprochenes Thema.
Viele Grüße aus dem sonnigen und regnerischen Savusavu, Vanua Levu, Fiji
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind