Corona hält unsere Seglerwelt weiter fest im Griff. Die Grenzen um uns herum bleiben fest geschlossen.
Hier in Dili freuten sich schon alle auf das Ende des Corona-Notstands im Land zum Ende der ersten Verlängerung Ende Mai. Es gibt ja auch keine wirklichen Fälle mehr. Aber es sollte anders kommen, denn die Regierung entschied sich für eine erneute vierwöchige Verlängerung bis zum 28.Juni 2020. Diese Maßnahme betrifft hauptsächlich einige Grenzgebiete und vor allem die Reisemöglichkeiten. An der direkten Grenze zu Indonesien, auf der indonesischen Seite, sind 10 Corona-Fälle aufgetreten und darüber sollen auf keinen Fall Corona-Infizierte ins Land kommen. Auch der Hafen und der Flughafen bleiben aus diesem Grund weiterhin für Personenverkehr geschlossen. In letzter Zeit sehen wir zwar immer mal wieder vereinzelte Flugzeuge hereinkommen, aber die fliegen nur dringendes Material ein und aus.
In Dili sieht es irgendwie fast aus wie immer, naja fast: Es sind wieder mehr Leute auf der Straße, der Straßenverkehr hat weiter zugenommen, ein paar weitere Restaurants haben geöffnet, Taxen und Microlets, die hiesigen Minibusse fahren wieder vermehrt und es sind wieder mehr Straßenverkäufer mit Obst, Masken, Telefonrubbelkarten und Zigaretten unterwegs. Leider fehlen den Straßenverkäufern die Kunden und so sind sie deutlich hartnäckiger hinter uns her, wenn sie uns auf der Straße entlanggehen sehen. Wir wissen, daß sie nur versuchen ihre tägliche Mahlzeit für sich und ihre Familien zusammenzuverdienen aber trotzdem kaufen wir nur das, was wir wirklich brauchen, denn sonst könnten wir inzwischen einen überquellenden Obststand mit zusätzlichem Masken- und Zigarettenverkauf aufmachen.
Das Leben in Dili normalisiert sich weiter. Eigentlich sollten die Schulen inzwischen wieder geöffnet haben, aber wir haben noch keine nennenswerte Anzahl Schüler mit ihren Schuluniformen auf den Straßen gesehen. Bestehen bleibt weiterhin das Tragen von Masken in Läden und in öffentlichen Gebäuden, genauso wie die Händehygiene und das „social Distancing“, wobei die Masken auch immer häufiger nur unter dem Kinn hängen und das Händewaschen ab und zu mal vergessen wird, oder gar nicht mehr möglich ist, weil man vergessen hat den Wassertank aufzufüllen – aber so schlimm ist das ja nicht, solange keine Reisenden ins Land kommen, die das Virus wieder einschleppen.
Bei einem unserer Spaziergänge zum Einkaufszentrum kam einmal sogar eine wildfremde Frau direkt auf Helge zugestürmt um ihm die Hand zu reichen und mit mehreren Handküssen zu versehen, wie es vielfach für Nonnen und Priester hier üblich ist, bevor sie wieder zurück auf ihren Weg ging. Es ist schon komisch aber wir und da ganz besonders Helge, werden hier ja wie Methusalem betrachtet. Das Durchschnittsalter beträgt im Land 19 Jahre und bei einem Gespräch mit einem „unserer“ Polizisten kamen wir auch mal wieder aufs Alter zu sprechen und für hiesige Verhältnisse ist er mit 30 Jahren schon ziemlich alt und so bestaunt er uns für unsere ganzen Aktivitäten. Ein Kollege hatte uns zu Fuß in ca. 4km Entfernung gesehen und auch unsere Rucksäcke sind in der Regel voll mit Einkäufen wie 20l Trinkwasser und ein paar Lebensmittel die wir zum Schiff schleppen – das verursacht hier echtes Staunen, denn eigentlich fährt man Roller oder Auto – gerade die Weißen und Alten.
Ein Highlight hatten wir am Montag den 25. Mai. 2020. Der Ankergrund auf dem wir ankern ist nicht gerade optimal, denn der Grund ist voll mit Geröll, altem Mooringgeschirr, Teile versunkener Wracks und wer weiß was sonst noch. Mit den ganzen Winddrehern, die Gegenwind mal in die eine, mal in die andere Richtung drehen, hatte sich ihre Ankerkette irgendwo richtig vertüddelt und so hingen wir an einer ziemlich straff gespannten Ankerkette, die Gegenwind bei dem hier durchgehenden Schwell immer wieder heftig einrucken ließ. Zum Glück konnten wir bei kräftigen Winden noch Leine nachgeben. Aus eigener Kraft kamen wir aus dieser Lage nicht heraus, denn auf 17m Wassertiefe kommen wir nicht hinunter. So blieb uns nichts anderes übrig als einen Taucher kommen zu lassen. Der große Tag war dann am Montag den 25. Mai 2020 gekommen. Mit vier Leuten, zwei Aufpassern im Begleitboot und zwei Tauchern rückten sie an. Die beiden Taucher wuselten und blubberten gut eineinhalb Stunden an der Kette in dem Modder herum, bis die Kette von ihrem Metall-Gebilde-Mooring-Leinen-Wirrwarr befreit war. Nun hat Gegenwind endlich ihre 50 m Kette wieder frei, um sich „leichtfüßig“, hüpfenderweise um ihren Anker zu drehen.
Das Hüpfen ist leider wörtlich zu nehmen, denn seit der Wind auf SW, also Wintersaison, gedreht hat, ist der Ankerplatz noch ein Stück anstrengender geworden. Die Wellen rauschen vielfach mit bis zu einem halben Meter über das Riff und bringen Gegenwind entweder zum Wellenhüpfen oder wenn gleichzeitig kein Wind weht, bekommen wir die Wellen auch gerne mal von der Breitseite, so daß wir Drei zu ungewollten Tänzen gezwungen werden – damit bildet sich sogar der Seegrasbewuchs auf Gegenwinds blauer Rumpffarbe bis auf 30-40cm über ihrer Wasserlinie. Außerdem steht inzwischen häufiger ein starker Wind auf das Ankerfeld. Diese Art von Wind und Wellen sind ziemlich Nerv tötend, denn so müssen wir alle unsere Landgänge darauf abstimmen. Bei den Landgängen heißt es dann alle Vorräte wieder aufzufüllen und Trinkwasser zu besorgen, damit wir wieder gut versorgt eine längere Periode ungeplant tagelang an Bord festsitzen können. Gegen zu starken Wind können wir nicht anpaddeln und die Wellen rauschen über das Riff und brechen sich weißschäumend am Strand, so daß sie einen Überschlag mit Kopfstand beim Anlanden oder vielleicht ein Vollbad beim Heimweg androhen. Beides haben wir bisher nur Ansatzweise erlebt aber auf die volle Ladung verzichten wir gerne – da Tanzen wir lieber einen schaukligen DREIER am Anker.
Viele Grüße aus Dili, Timor-Leste und bleibt gesund!
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind