Wikipedia bezeichnet Geduld (altertümlich: Langmut) als die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Geduld gilt dabei als eine Tugend.
Naja, bei diesem Bericht werden wir wohl Eure Geduld prüfen aber auch Eure Fantasie herausfordern.
Ihr erinnert Euch noch an unseren Bericht vom 23. März 2021 (Osttimor – Der Corona- Wahnsinn: Negative Schwingungen ), indem wir von unseren Motorsorgen schrieben? Dabei berichteten wir von einem Wassereinbruch durch den Auspuffkrümmer. Aber wie heißt es so schön: „Ein Unglück kommt selten allein!“, und das traf auch da wieder zu, denn beim anschließenden Lenzen (dem Auspumpen des Wassers aus dem Schiffinnseren) fiel auch noch unsere Hauptlenzpumpe aus.
Die Analyse der Motorprobleme stürzte uns in einen tiefen Frust!
Der Auspuffkrümmer hatte ein Loch direkt am Seewasserzulauf des Krümmers. Anders als bei dem Automotor, der seine Kühlung über die Luft erhält, saugt unser Schiffsdiesel mit Hilfe einer Seewasserpumpe Seewasser durch einen Wassereinlaß im Rumpf unterhalb der Wasserlinie an und wird so mit dem Seewasser gekühlt. Damit dieses Seewasser wieder nach draußen kann, wird es am Krümmer mit den Auspuffabgasen gemischt und dann über den Auspuff nach Außenbords geleitet. Mit dem Loch im Krümmer wurde nun das Kühlwasser allerdings ins Schiffsinnere gepumpt, so daß wir den Motor nicht mehr benutzen konnten ohne Gegenwind mit Seewasser zu fluten.
Natürlich haben wir mehrere Pumpen um bei einem Wassereinbruch das Seewasser wieder aus dem Schiff zu befördern, aber trotzdem war es echt ärgerlich, das unsere Hauptpumpe ausgefallen war, als wir sie einsetzten um die Wassermenge wieder nach draußen zu befördern. Bei unserer Analyse stellen wir fest, das eine Fixiermutter für die bewegliche Pumpenmembrane gebrochen war und damit kein Pumpendruck aufgebaut werden konnte. Unsere ganz große Zweitpumpe erledigte den Job aber problemlos.
Jetzt werdet Ihr wahrscheinlich sagen, da geht man doch einfach in den Laden oder bestellt Ersatzteile per Lieferservice. Ja, wenn das hier gerade während der Corona-Zeit nur so einfach wäre.
Für die Kunststoff- Fixiermutter der Lenzpumpe klapperten wir sämtliche Baumärkte, Händler und Werkstätten ab und das natürlich alles zu Fuß, da der öffentliche Nahverkehr sowie Taxis während des derzeit immer noch geltenden Lockdowns nicht fahren dürfen. Nach 14 Tagen Suchen fanden wir in einem Baumarkt überaschenderweise einen Plastikwasserhahn dessen Anschlußstück genau unsere gesuchte Kunststoffmutter hatte, Diese Art von Wasserhahn wird hier vielerorts für Wasserbehälter verwendet, die vor vielen Läden zum Händewaschen als Corona Maßnahme stehen. Wir besorgten gleich mehrere dieser Wasserhähne, denn wer weiß wann die mit „ausverkauft“ laufen und ein Ersatzteil an Bord ist immer gut. Damit konnten wir das Problem Lenzpumpe lösen. Diese „blöde“, simple Kunststoffmutter sorgte für 14 Tage tägliche, schweißtreibende Laufereien bei über 30°C im Schatten und zerrte ziemlich an unseren Geduldsfäden, zumal wir nicht sicher waren, unsere Suche überhaupt erfolgreich abschließen zu können!
Der Auspuffkrümmer für unseren Motor war da schon anspruchsvoller. Naja, eigentlich ja auch nur eine Bestellung beim Ersatzteilehändler, ein Paket per Post und ein paar Tage warten. Nur das geht hier seit Beginn der Corona- Krise nicht mehr. Der Anruf bei unserem Nanni- Vertreter in Kiel und das Zusammenstellen der entsprechenden Teile war eine Sache aber dann wurden unsere Geduldsfäden sehr stark gedehnt, sind gerissen, mußten sich wieder erholen und wurden weiter gequält. Wir hatten hier in Dili schon mitbekommen, das mehrere Leute Ende März immer noch auf ihre Weihnachtspakete warteten und so klapperten wir die verschiedenen Lieferdienste hier ab und erforschten die Situation – natürlich auch wieder zu Fuß bei natürlich noch über 30°C im Schatten. Bei DHL wurden wir sogar ausgelacht als wir nach einem Paket von Deutschland nach Timor-Leste fragten. Sie meinten: „Wir können es ja im kommenden Monat nochmal probieren, denn die Paketlieferung läßt sich zurzeit nicht planen. Aber wenn etwas kommt, kann das zurzeit schon mal 6-7 Monate dauern, während der derzeitigen Corona-Einschränkungen, denn auch öffentliche Flüge mit denen ein Paket normalerweise mitgeliefert wird, gibt es seit Beginn der Corona-Zeit hier ja nicht mehr.“ Bei UPS und TNT sah es auch nicht besser aus, wie uns Bekannte berichteten und FedEx erklärte uns, das sie zurzeit nur von Geschäftskunde zu Geschäftskunde transportieren und auch die Lieferzeiten lassen sich nicht festlegen.
Mit dem Wissen fragten wir erst einmal bei unserem Nanni- Vertreter nach, ob und was für ein Provisorium wir vor Ort zusammenbasteln können. Mit dem Tipp legten wir dann zum Basteln los. Dazu brauchten wir nur etwas Material. Das fanden wir tatsächlich in dem Nobelbaumarkt. So ausgestattet mit einem selbstvulkanisierenden Klebeband bandagierten wir dann den Auspuffkrümmer. Nur das Klebeband hatte seine Eigenschaften total verloren, vermutlich durch die tropischen Temperaturen. So war der Versuch ein Mißerfolg und das Seewasser spritzte nach wie vor aus dem Krümmer in den Motorraum. Allerdings ließ uns das Pech auch diesmal nicht los, denn beim Einschalten des Motor schoß jetzt zusätzlich auch ein Wasserstrahl aus der Seewasserpumpe. Die Wellendichtung zum Pumpengehäuse hatte den Geist aufgegeben – also noch ein weiteres Problem für das es hier vor Ort keine Lösung gibt.
Wir wollten den Motor allerdings nicht so lange stillstehen lassen, denn alles das sich unbenutzt an Bord befindet, gerade wenn es mit dem absolut aggressiven Seewasser in Kontakt kommt, neigt vorsichtig ausgedrückt gerne zu Problemen. Außerdem benötigen wir den Motor ja immer wieder zum Laden unserer Batterien. So war jetzt erst einmal wieder die Frage an unseren Nanni- Vertreter aus Kiel, ob wir noch andere Möglichkeiten haben den Auspuffkrümmer mit Bordmitteln provisorisch abzudichten, denn der hat ja eigentlich immer eine Lösung parat! Natürlich so auch diesmal und so verarbeiteten wir Backpapier und Silicon zu einer Bandage.
Für die Wellendichtung der Seewasserpumpe fand sich in Gegenwinds Ersatzteilschatzkiste zum Glück noch die bisher ungenutzte, passende Dichtung. So bastelten wir die Seewasserpumpe, natürlich mit improvisierten Mitteln auseinander, denn einen professionellen Abzieher um die Welle aus dem Pumpengehäuse zu demontieren haben wir in den hiesigen Shops und Werkstätten gar nicht erst gesucht. Aber diese improvisierten Hilfsmittel reichten aus um die alte Wellendichtung gegen die neue zu tauschen. Es hat halt nur lange gedauert um aus Holzstückchen und Schraubzwingen das passende zusammenzubekommen.
Mit der reparierten Seewasserpumpe und dem bandagierten Auspuffkrümmer starteten wir erneut den Motor und blickten nervös in den Maschinenraum um nach einspritzendem Wasser Ausschau zu halten – nichts. Es blieb tatsächlich trocken. So weit so gut aber mit dem bandagierten Auspuffkrümmer wollten wir nicht in Gebiete fahren in denen wir auf den Motor angewiesen sind.
So versuchten wir natürlich auch während unserer Bastelaktionen weiter an einer Paketlieferung zu arbeiten. Und nur um es zu erwähnen, wir saßen dabei auch noch für einige Wochen an Bord fest, denn Wind und Wellen führten zu heftigem Geschaukel und viel zu hoher Brandung, um am Strand mit dem Dingi ohne Kentergefahr anlanden zu können. Außerdem zog zu Ostern ja auch noch der entstehende Zyklon „Seroja“ über uns hinweg, wobei wir bei den Wind- und Wellen Prognosen nicht sicher waren, das wir das heil überstehen werden. Zu unserem Glück war die Realität von Wind und Wellen doch nicht so heftig, wie die Vorhersagen es versprachen.
Bei unserer Ersatzteillieferung fragten wir sogar nach einem Schiffstransport von Singapur und ähnlich verrückten Wegen, ein Paket in absehbarer Zeit hierher zu bekommen. Der Weg aus Deutschland zeigte sich als immer illusorischer, so daß wir uns mit Möglichkeiten über Australien zu bestellen beschäftigten. Das hatte auch so seine Haken und Ösen, denn dafür brauchten wir eine australische Adresse. Aber wir fanden einen interessierten Nanni- Motorvertreter in Darwin und wir haben ja schließlich auch Freunde in Australien. Gar keine Frage, wer uns da vor Ort weiterhelfen konnte, ein australisches Seglerpaar, das wir in der Karibik kennen gelernt hatten und mit dem wir regelmäßig in Kontakt stehen. Sie waren schnell angeschrieben und so sahen wir langsam etwas Licht im Dunkel.
Und tatsächlich, unsere Ersatzteile konnten von Europa über Australien dann mit Hilfe des Nanni- Vertreters in Darwin per Luftfracht mit einer Frachtgesellschaft zu uns auf den Weg gebracht werden. So erreichten sie am 11. Mai 2021 den Flughafen in Dili und wir konnten unsere sehr angespannten Geduldsfäden wieder etwas beruhigen – dachten wir.
Wenn es jetzt möglich gewesen wäre, unser Ersatzteilpaket einfach abzuholen, wäre es wirklich zu einfach gewesen. Am 11. Mai hieß es erst einmal da sei nichts, nicht einmal ein Flieger angekommen, was sich dann aber nach ein paar Tagen auflöste und wir einen Anruf von einem Agenten bekamen, der uns dann sagte: „Da ist ein Paket für Euch am Flughafen beim Zoll.“ Super, aber dann kam der Papierkram und ein riesen hin und her mit unserer Idee das Paket als „Yacht in Transit“, das bedeutet zollfrei, zu bekommen. Das „Yacht in Transit“ hat den Hintergrund, das die Ersatzteile ja mit uns wieder das Land verlassen. Mit einheimischen Freunden zusammen und der Arbeit des Agenten, sowie einem Schwung Papierkram bekamen wir am 02.Juni 2021 endlich unsere Ersatzteile ausgehändigt. Unsere Geduldsfäden vibrieren bei dem Gedanken an den Aufwand immer noch.
Der neue Auspuffkrümmer ist seit dem 08.Juni 2021 auch schon eingebaut – auch das ist hier nicht so einfach, denn da heißt es einen Tag mit wenig Wellen zu erwischen, denn sonst fliegt alles durcheinander und auch das Arbeiten, wenn man sich ständig festhalten muß ist alles andere als lustig, dafür aber noch schweißtreibender, denn an Bord erreichen die Temperaturen gerne die 34°C im Schiff, da rutscht jedes Werkzeug aus der Hand. Und auch dabei spannen sich die Geduldsfäden wieder an.
Viele Grüße aus Dili, Timor-Leste und bleibt gesund!
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind