Endlich war es soweit, am 13. Oktober 2021 durften wir die Quarantäne erschöpft von den harten Bedingungen am zugewiesenen Ankerplatz verlassen und sollten uns zum Einklarieren in die Marina begeben. Wir hatten alles für unsere kleine Fahrt in die Yacht Haven Marina vorbereitet.
Zum 10:00Uhr Stillwasser, bei Niedrigwasser, sollten wir dort ankommen damit die Gezeitenströmung für uns nicht zu stark ist.
Da wir den Seekarten in Südostasien nicht voll vertrauen, hatten wir uns verschiedene Seekarten- und auch Satellitendaten angeschaut, verglichen und mit den durchfahrenden Booten, deren Signale wir auf dem AIS (Automatisches Identifikations System) verfolgen konnten abgeglichen und entsprechend unseren Kurs Richtung Nord-Phuket abgesetzt. Eine Superyacht die sich hier auskannte, wollte hinter den nächsten Inseln auf uns warten, damit wir die Untiefen vor der Yacht Haven Marina in ihrem Kurs sicher umschiffen konnten.
So ging morgens um 07:00Uhr unser Anker hoch. Das Aufholen der langen Kette mit der zusätzlichen Leine war schweißtreibende Schwerstarbeit.
Dann waren wir aber unter Motor auf dem Weg. Wie die Einklarierung hier mit den Behörden und unserem Agenten wohl ablaufen wird?
Eine knappe viertel Stunde waren wir einfach nur froh unseren ruppigen, erschöpfenden Quarantäne-Ankerplatz endlich verlassen zu dürfen!
Das Wetter war sogar mal ganz friedlich. Wir hatten 5-6m Wasser unter dem Kiel und motorten mit 4kn Geschwindigkeit nach Norden.
Plötzlich blinkte der Tiefenmesser mit nur 1,3m auf, ein Fisch wie es so immer mal wieder vorkommt aber schon rumpelte es und der Tiefenmesser blieb bei 1,3m konstant stehen. Kräftige Schläge gingen durch Gegenwind und wir hatten Mühe nicht umzufallen. Wir kuppelten den Motor aus und gaben voll zurück aber Gegenwind drehte sich nur ein wenig. Das geschah in Sekundenabläufen.
Wir standen, saßen fest und suchten unsere Umgebung nach dem Problem ab. Das Wasser war trübe grün- grau und auf der Wasseroberfläche erkannten wir nur einige Strudel. Ein Wrack, ein Riff, nochmal der Blick auf die Satellitenkarten und die Seekarten- 5-6m Wassertiefe. Da kann uns eigentlich nichts festhalten, denn Gegenwind hat einen Tiefgang von ca. 1,7m. So kam der Bootshaken zum Einsatz und wir stocherten damit um Gegenwind herum. Damit wurde es klar: Wir waren auf ein unkartografiertes Riff aufgelaufen, das uns nun in seinen Klauen festhielt.
Ein Riff! Jetzt checkten wir erst einmal ob wir irgendwo einen Wassereinbruch hatten – nichts. Das war schon mal positiv. Wir stellten den Motor ab, denn der konnte uns im Moment nicht weiterhelfen. Die nächste Frage stellte sich uns jetzt: „Wie kommen wir hier wieder herunter?“
Wir hatten noch für ca. eine Stunde ablaufendes Wasser bis zum Niedrigwasser, das war nicht gut, denn das setzte uns nur noch fester. Wenn wir jetzt keine schnelle Lösung finden konnten, müßten wir bis zum nächsten auflaufenden Wasser abwarten und hoffen, daß das Wetter halten wird und sich keine Steine in Gegenwind hineinbohren werden.
Wir setzten einen „Mayday“-Ruf mit unserer Position auf dem Riff ab und beschrieben unsere Situation über UKW-Funk. Da unsere Position gleich neben dem von der Marine überwachten Quarantäne-Ankerplatz war, hatten wir die Hoffnung, das sich die Marine auch zügig melden würde. Es meldete sich allerdings eine Superyacht, ein Katamaran vom Quarantäne-Ankerplatz und kündigte an, das er mit seinem Dingi vorbeikommen wird. Uns blieb ja sowieso nichts anderes übrig als zu warten, das Riff mit Gegenwinds Bewegungen zu beobachten und nach einem möglichen Wassereinbruch zu gucken. Der Wind nahm etwas zu und so wurden die Wellen etwas höher, zum Glück hatten wir nur um die 3-4Windstärken. Gegenwind krachte mit dem weiter ablaufendem Wasser immer heftiger auf die Steine.
Wir kontaktierten unseren Agenten und meldeten unsere Situation. Dabei baten wir um die Möglichkeit die nächstgelegene Marine mit Werftmöglichkeit anlaufen zu können, wenn wir freikommen. Er meldete uns sogar noch, daß er dieses Riff auch nicht kannte und sogar am Vortag noch mit einem großen Motorboot über die Stelle gefahren sei. Allerdings sind die Gezeitenunterschiede hier erheblich und auch wir hätten bei einem hohen Hochwasser wohl nichts von dem Riff gespürt.
Nach einer gewissen Zeit, das kam uns alles sehr, sehr lang vor, kam das Dingi von der Superyacht und fragte wie sie uns helfen könnten. Sie erkundeten die Umgebung und gaben uns so eine Idee von der Lage des Riffs. Freischleppen konnten sie uns nicht ohne noch größeren Schaden anzurichten. Sie fragten noch ob sie uns abbergen sollten, was wir zu dem Zeitpunkt nicht wollten. So verließen sie uns wieder und blieben auf „Stand-by“ für den Fall, daß wir weitere Hilfe benötigten.
Gegenwind krachte mit jeder etwas größeren Welle im 2-5Minutentakt aufs Riff und erschütterte dabei bis in die Mastspitze.
Dann kam, von unserem Agenten geschickt, ein Speedboot mit zwei Marine-Leuten und einer Dolmetscherin an Bord vorbei. Mit deren Hilfe brachten wir unseren Anker ins freie Wasser, damit wir uns bei auflaufender Gezeit von dem Riff herunterholen konnten. Nach der Aktion verließen sie uns wieder, während Gegenwind weiter aufs Riff krachte. Bei Niedrigwasser konnten wir einen Teil des Riffs kurz unterhalb oder gerade an der Wasseroberfläche erkennen. Es ist ziemlich groß, der für uns sichtbare Teil maß geschätzte gute 100m im Durchmesser.
Bisher hatten wir noch keinen Wassereinbruch, denn daraufhin checkten wir Gegenwind weiterhin die ganze Zeit ab. Außerdem suchten wir für den schlimmsten Fall unsere wichtigsten Sachen und Papiere zusammen. Unser Agent meldete sich mit der Aussage, er hat uns die nächstgelegene gezeitenunabhängige Marina und den frühestmöglichen Werfttermin in 3Tagen organisiert. Alle Werften sind hier gezeitenabhängig, und so nicht jederzeit für uns erreichbar.
Das ständige aufkrachen von Gegenwind war markerschütternd und zerrte heftig an unseren erschöpften Nerven aber immerhin blieb Gegenwind trocken von innen.
Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, schien Gegenwind sich wieder etwas zu bewegen. Das Wasser stieg also wieder. So fingen wir an mit dem Bootshaken dem ein wenig nachzuhelfen und bei weiter steigendem Wasser gaben wir mehr und mehr Spannung auf die Ankerkette. Um 10:40Uhr schwammen wir wieder und lagen ein paar Meter vor dem Riff am Anker auf 6m Wassertiefe. Nun hieß es noch einmal alles zu prüfen, ob wir auch noch fahrtüchtig waren. Das Ruderblatt funktionierte problemlos, kein Wasser im Schiff, der Propeller sah soweit es zu erkennen war unbeschädigt aus und so starteten wir den Motor. Auch das funktionierte einwandfrei. Nachdem wir den Propeller vorsichtig vor und zurück ein-und ausgekuppelt hatten und alles fehlerfrei blieb, holten wir den Anker ein und fuhren erst einmal nach Süden in Richtung Quarantäne-Ankerplatz zurück, also weg von dem Riff. Wir bedankten uns bei der so hilfsbereiten Superyacht über UKW-Funk und wünschten ihnen eine möglichst ruhige Quarantänezeit. Mit genügend Abstand zum Riff tatsteten wir uns dann sehr vorsichtig drum herum, denn auch unsere Notmarina lag im Norden, allerdings nur um die nächste Insel herum. Aber wir mußten an dem Riff vorbei. Unser Vertrauen in die Seekarten und Satellitenbilder und die Routen der anderen Schiffe, die wir aufgezeichnet hatten war ziemlich erschüttert. So stoppten wir jedes Mal, sobald ein Fisch unseren Tiefenmesser irritierte, denn das Wasser war auch weiterhin nahezu undurchsichtig.
Um 11:20Uhr liefen wir in die AoPo Grand Marina ein und bekamen einen Liegeplatz zugewiesen: N08°04,106‘ E098°26,664‘. Endlich fest und Gegenwind zeigte noch keine Probleme von der dreieinhalbstündigen Tortur und Folter.
Damit hatten wir das erste Mal seit verlassen der Marlin Marina in Cairns, Australien am 19.November 2019 eine Landverbindung zu einem Steg – das sind 23 Monate an abgelegen schwer zugänglichen Ankerplätzen. Und nun kurz vor diesem sicheren Hafen auch noch das blöde Riff. Wir haben es so weit geschafft und waren nun aber auch ziemlich geschafft.
Viele Grüße aus der Royal Phuket Marina, Thailand
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind