Für das letze Maiwochenende sah der Wetterbericht friedlich aus, so daß wir am Samstag, den 28. Mai 2022 um 10:15Uhr unsere Leinen in Pigadia, Karphatos loswarfen und uns aufmachten zur nächsten großen Insel.
Zur Mittagszeit konnten wir unsere Segel setzten, da setzte der Nordwestwind mit Stärke 4-5 ein, denn wir verließen die Windabdeckung von Karpathos. Nachdem die Segel oben waren, schalteten wir den Motor aus und ab ging die Post, mit guten sechs Knoten Fahrt unter doppelt gerefftem Großsegel und Fock. Leider war nach guten eineinhalb Stunden Schluß mit dem Spaß, der Wind hatte sich verausgabt und ließ uns in einer Flaute zurück. Unser Diesel übernahm wieder die Arbeit um uns voranzuschieben.
Diesmal hatten wir eine Nachtfahrt eingeplant um nach Heraklion, der Inselhauptstadt von Kreta zu gelangen. Es war eine eintönige Motorbootfahrt bei der unser normaler Segel-Wach-Rhythmus keine Chance hatte sich einzustellen, da wir in den frühen Morgenstunden schon ankommen sollten. Damit planten wir gerade noch rechtzeitig vor dem nächsten Starkwind anzulegen. Die Rechnung hatten wir allerdings ohne Petrus gemacht, denn am Sonntagmorgen ab 05:30Uhr blies uns ein starker bis steifer Wind eine unangenehm kabbelige, kurze Welle entgegen, mit der Gegenwind so gar nichts anfangen konnte und sich feststampfte. Wir beschlossen durch das Ganze zu motoren und dabei ein Stück näher an die Küste von Kreta zu fahren um die letzten Meilen zurückzulegen. Gegen 07:00Uhr nahmen Wind und Welle ab und so erreichten wir den Schutz der Hafenmole von Heraklion.
Der Hafenbereich war riesig, zwei Kreuzfahrtschiffe und etliche große Fähren lagen im Hafen. Wir fuhren ganz bis zum Ende durch, in den alten venezianischen Hafen, drehten zwei Runden und bekamen von den Leuten auf den Stegen zugerufen: „Der Hafen ist nur für Einheimische, geht nach draußen!“
Ok, wir verließen den Hafen für die Einheimischen und erahnten an dessen Außenmole die Plätze für die Gastlieger, eine unfreundlich dreinblickende, hohe Betonpier mit Motor- und Segelboten, die im „römisch-katholischen“-Stil angelegt hatten und den Eindruck machten, das sie mindestens doppelt so groß waren wie Gegenwind. Nachdem ein Segler abgelegt hatte, steuerten wir seinen Platz zwischen einem 67 Fuß (gut 20 Meter) langen Katamaran und einem 55 Fuß (knapp 17 Meter) langen Motorboot an, der uns so einigermaßen brauchbar vorkam. Wir lösten unseren Heckanker vom Heckkorb und kramten den Kettenvorlauf sowie eine lange Leine aus der Backskiste und suchten den richtigen Platz um den Anker fallen zu lassen. Hoffentlich erwischten wir jetzt nicht die alte, unsichtbare Kette, die irgendwo am Ankergrund herumliegen sollte, denn das gäbe ein schönes Getüddel beim Anker auf gehen, wenn sich unser Anker darin verhakte. Als einziges Schiff entzogen wir uns der „römisch-katholischen“- Art anzulegen, denn dabei ist unser Geräteträger mit den Solarfeldern, dem Windgenerator und dem Radargerät sowie vor allem unsere Windsteueranlage im Weg. So fiel unser Heckanker auf 5,8m Wassertiefe ins trübe Hafenwasser während wir langsam mit dem Bug an die Betonpier steuerten. Der Anker hielt aber wir waren darauf angewiesen, das uns jemand die Leinen an Land annahm, denn mit dem Schwell im Hafenbecken mußten wir einen größeren Abstand zur Pier lassen. Zum Glück half unser neuer Katamaran-Nachbar dabei, die Leinen an Land fest zu bekommen. Wir erhielten von ihm auch sofort die Warnung, das gegen 19:00Uhr jeden Abend eine Schnellfähre anlegt, die das Hafenbecken zum Hexenkessel werden läßt.
So lagen wir um 09:30Uhr etwas müde und erschöpft nach 116 Seemeilen in Heraklion am Gastpier auf Position N35°20,620` E025°08,278`. Unser Sicherheitsabstand zur Pier betrug ca. drei Meter, zu weit weg um einfach an Land zu gelangen – wie doof!
Den Tag verbrachten wir etwas müde und genervt an Bord. Helge mußte trotzdem noch einmal an Land um nach den Liegebedingungen und den Versorgungseinrichtungen zu schauen – Hafendusche Fehlanzeige, aber dafür war auch sonst nichts von irgendwelchen Kassierern zu finden. Die Herausforderung für Helge bestand dabei allerdings darin an Land zu gelangen. Das war ziemlich aufwendig, denn dazu mußte Asha die Leine vom Heckanker lösen, während Helge Gegenwind langsam dichter an die Pier zog, so daß der Bug weit genug nach vorne kam, ohne aber dabei gegen die Pier zu krachen. Dann galt es für Helge mit einem großen Satz auf die angeschrägte, Pierkante zu springen, anschließend hieß es für Asha die Leine vom Heckanker schnell wieder dicht zu holen, denn Gegenwind fing mit den losen Vorleinen sofort an, hin und her zu tanzen und dabei den Nachbarn gefährlich nahe zu kommen. So machten wir das Manöver auch um Helge später wieder an Bord zu bekommen.
Gegen 19:00Uhr lief die „Seajet“, eine große Katamaranschnellfähre ein und es war kaum zu glauben, wie das Hafenwasser davon eine Viertelstunde lang Wellen aufwarf und kochte und damit die Gästeplätze in einen Hexenkessel verwandelte. Wir waren froh, daß wir „verkehrt herum“, mit der Nase voran, an der Pier lagen, denn sonst hätte sich unser Mast vermutlich in dem Mast von unserem Nachbarlieger verhakt. Das Riesenmotorboot auf unserer anderen Seite schaukelte ebenfalls wie wild und hatte dabei vermutlich – wir haben es in dem heftigen Geschaukel nicht gesehen – auch unser Solarfeld am Geräteträger verbogen – es funktioniert zum Glück noch. Ein anderes Segelschiff, das einen geringeren Abstand zur Pier hatte, war mit dem Heck heftig krachend gegen die Pier geknallt und bei einem weiteren Schiff, deren Crew die Gegebenheiten ebenfalls nicht kannte, sind Heck und Gangway dadurch auch deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Tragödie wiederholte sich jeden Abend beim Einlaufen der Katamaranfähre mit mehr oder weniger schlimmen Schäden an den Gastliegern, denn nicht alle Crews realisierten die Warnungen, die nur von Boot zu Boot ausgetauscht wurden und die Hafenmeisterei ignorierte das Geschehen.
Viele Grüße aus Kreta, Griechenland
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind