Genau wie in den Karnevalshochburgen in Deutschland bedeutet der Karnevalsmonat den Ausnahmezustand im Staat Grenada. Alle freuen sich auf die ausgelassene Zeit und überall läuft laute, ohrenbetäubende Karnevalsmusik, Soca- Musik genannt, die man entweder mag oder sich weit davon entfernt hält, wenn man denn kann, denn selbst in den öffentlichen Bussen wird die Musikanlage bis zum Anschlag aufgedreht und die Musik gedudelt.
Die Hauptveranstaltungen beginnen nach dem „Emancipation Day“ (Sklavenbefreiungstag) und enden mit großen Umzügen eine Woche später.
Wir sind nun nicht die Karneval-Fans und die Musik ging uns auch mächtig auf die Nerven, aber entgehen lassen wollten wir uns den Trubel dann doch nicht.
So beging man hier in St. George’s einen ruhigen „Emancipation Day“ am 03. August 2015 und ab diesem Zeitpunkt fanden diverse Veranstaltungen und Wettbewerbe im Stadion statt.
DAS STADION
Wir wollten uns die karibischen Steeldrum- Bands anschauen und so zog es uns am Samstag, dem 08. August 2015 gemeinsam mit den Crews der Libertina, der Verlighning, und der halben Crew der Maria Concordia ins Stadion.
Um 20:00 Uhr sollte die Veranstaltung beginnen, also saßen wir, als gute Europäer, um 19:30 mit Getränken und Knabbereien ausgerüstet auf unseren Plätzen. Langsam fiel uns dann auf, das fast kaum Zuschauer anwesend waren und die Zuschauer, die anwesend waren, waren fast alle weiß. Um 20:45 Uhr hatte die Veranstaltung noch nicht begonnen und eine Durchsage teilte uns mit, das der Beginn jetzt auf 21:00 Uhr verschoben sei. Das wurde mit einem allgemeinen Brummeln quittiert. So war also noch Zeit genug für ein paar weitere Knabbereien. Um 21:00 tat sich allerdings immer noch nichts – also weiter warten. Um 21:15 Uhr kamen ein paar Arbeiter und Polizisten und brachten ein Dach für die Juri- Plätze, denn es regnete ein wenig. Langsam füllte sich das Stadion auch mit Schwarzen und um 21:30 Uhr begann die erste Steeldrum- Band mit ca. 60 Musikern und über 100 Instrumenten sich auf der Bühne zu platzieren.
Um 21:50 Uhr startete dann die Steeldrum- Band mit ihrer super-klasse-tollen Trommel- Show. Sie präsentierte uns ihr Lied.
Dann räumte die erste Band die Bühne und die zweite Steeldrum- Band mit einer ähnlichen Zahl an Musikern und Instrumenten brachte sich in Position. Das ganze Prozedere dauerte ca. 45 Minuten bevor die zweite Band Ihre Steeldrums ertönen ließ und uns mit ihrem Lied begeisterte.
Insgesamt sollten neun Steeldrum- Bands vorspielen. Mit dem ganzen Auf- und Abbauen hatten bis Mitternacht allerdings erst vier Gruppen gespielt und wir waren inzwischen so müde, daß wir abbrachen und uns auf den Heimweg machten.
J‘ OUVERT
(J‘ Ouvert bedeutet in diesem Fall soviel wie Tagesanbruch)
Grenada hat frei für die tollen Tage!
Laut plan sollte die erste große Parade am Montag, den 10. August 2015 um 05:00 Uhr Morgens durch die Hauptstadt St. George’s führen. Mit unseren bisherigen Erfahrungen planten wir unsere Ankunft am Versammlungsort auf 06:45 Uhr – und siehe da wir waren genau zur rechten Zeit vor Ort, denn die Parade war gerade gestartet. Hier auf Grenada findet die Mutter aller J’Ouverts statt – sie ist laut Aussagen des „Spiegel“ noch dreckiger, noch öliger als auf anderen Inseln.
Es war einfach „geil“ anzusehen! Die Menschen schmierten sich mit Altöl und mit Farbe bis hinter die Ohren ein und zogen dabei natürlich mit ohrenbetäubend lauter Karnevalsmusik durch die Straßen. Wir konnten nach Lust und Laune mitmachen, doch blieben wir lieber mehr oder weniger Zuschauer des Spektakels und hatten einen riesen Spaß, wenn wir mal wieder eine Altölsalbung ablehnten.
Kleine Anmerkung: Die Altölschlacht löst natürlich bei jedem umweltbewußt erzogenen Menschen das kalte Grauen aus. Wer sich nach Großveranstaltungen in Deutschland die Umweltbelastung genauer ansieht, dem ergeht es ehrlicherweise auch nicht anders.
Hier in St. George’s packten viele Helfer, die vorher mitgefeiert hatten, im Anschluß an das Spektakel an, um die Ölreste und den Dreck wieder zu beseitigen.
PRETTYMAS
Nach der Säuberung vom morgendlichen J‘ Ouvert ging es am Nachmittag weiter mit einem herrlich bunten, farbenprächtigen und fröhlichen Umzug quer durch die Stadt. Jede Gruppe wurde natürlich von der lauten Karnevalsmusik begleitet. Die Umzugswagen pusteten die Soca- Musik aus übergroßen Lautsprechern in die Gruppen hinein, so daß der Boden vibrierte und die Luft erzitterte.
Der Umzug endete im Stadion, in dem dann jede Gruppe ihre Show auf der Bühne präsentierte. Die Tänze sind eine „geile“ Mischung aus rhythmischer Bewegung und angedeutetem Sex – aber die Moral bleibt erhalten.
MONDAYNIGHTMAS
Die dritte Parade des Tages beginnt in den Abendstunden, natürlich auch mit einer normalen zweistündigen Verspätung.
Es ist die Partynacht schlechthin! Bunte Lichtermassen, schrille, ohrenbetäubende Soca-Musik, „heiße“ Rhythmen und viel Spaß mit guter Laune und viel typischer Freundlichkeit.
Wir haben den ganzen Tag keine Gewalt oder irgendeine Aggression erlebt und selbst in den Nachtstunden gab es keine grölenden Besoffenen, die den Spaß eingeschränkt hätten – da kann sich Deutschland ein echtes Beispiel dran nehmen.
PRETTYMAS JUMP UP
Am Folgetag, Dienstag den 11. August 2015 war ausschlafen angesagt und dann ging es zur letzten Veranstaltung des diesjährigen Karnevals. Am Nachmittag gab es einen letzten lauten Umzug, praktisch die Wiederholung vom vorigen Nachmittag, nur sahen die Teilnehmer deutlich erschöpft aus und es waren jetzt deutlich mehr weiße Zuschauer dabei. Sogar ein kleines Kreuzfahrtschiff hatte seine Fracht auf die Straßen von St. George’s ausgeschüttet.
Grenada hat uns ein unvergeßliches Schauspiel geliefert.
Viele Grüße aus Grenada
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind