Hier auf den Marquesas Inseln sind uns ein paar bemerkenswerte Besonderheiten aufgefallen. Wie überall in der „kolonialisierten Welt“ leben hier die Kolonialherren und die Ureinwohner mehr oder weniger nebeneinander her. Die Kolonialherren wollen auch hier und heute noch ihren Lebensstil etablieren und mit ein wenig Exotik versehen, während die Ureinwohner ihren Lebensstil unter dem Zwang der Anpassung und Veränderung an die Kolonialherren, die moderne Zeit und die katholische Kirche ein Stück weit beizubehalten versuchen.
Die Frauen scheinen hier auf den Marquesas Inseln im Mittelpunkt der Gesellschaft zu stehen. Schon die Tiki- Figuren präsentieren die Frauen im Zentrum der Gesellschaft, indem sie immer wieder die Geburt oder eine schwangere Frau darstellen, die zudem auch vielfach die männlichen Figuren überragen. Im täglichen Leben haben wir realisiert, das die Frauen die wesentlichen Entscheidungen treffen, während die Männer sie bestenfalls nach außen vertreten dürfen. Am Obststand stehen die Frauen hinter der Kasse, während die Männer die körperlichen Dinge erledigen, im Restaurant steht die Frau am Tresen und der Mann in der Küche, die Frau verkauft die Fische, die der Mann fängt. Wir haben gelernt, daß es besser ist eine Frau anzusprechen, wenn es darum geht etwas zu erreichen oder zu erfahren. Die Männer hängen dagegen ihren Gesprächen nach sobald sie den Hochseefischfang, die Jagd auf Ziegen oder die Feldarbeit erledigt haben. Sie sind dann gerne mal zu einer kleinen Unterhaltung aufgelegt, wenn Helge sich zu ihnen gesellt.
Übrigens gibt es hier auch Leute die keine Lust haben sich mit zu viel Arbeit aufzureiben. Die Natur bietet ja schließlich genug oder der Nachbar gibt mal etwas aus seinem Garten ab. Wenn aber dann doch mal ein wenig Geld benötigt wird, geht man zur Gemeinde oder zum Nachbarn und dort findet sich schon ein Job für ein paar Tage – Rasen mähen, Straßenränder pflegen, Plantagenarbeit, Kokosnüsse für die Kobraproduktion fertig machen oder ähnliche Tätigkeiten. Das reicht in der Regel für die aktuellen Anschaffungen und so genießen doch einige Menschen ihr Leben auf den Marquesas Inseln ohne in die Gefahr eines in der westlichen Welt gängigen „Burnouts“ zu kommen.
Sehr viele Bewohner hier auf den Inseln haben übrigens einen wirklich richtigen, massigen Leibesumfang, der so gar nicht unserem europäischen Schönheitsideal entspricht, denn unter einer Südseeschönheit haben wir uns eigentlich immer tolle, schlanke, sportlich aussehende Frauen und muskulöse Männer vorgestellt – natürlich gibt es sie, aber sie sind nicht die Norm. Die meisten Frauen- und Männerkörper sind außerdem mit reichlichen Tattoos verziert.
Es ist hier ganz normal, das man beim zweiten Blick erkennt, das eine unserem Schönheitsideal entsprechende Frau ein Kerl in Frauenkleidern ist oder ein kräftiger, hart anpackender Typ auf dem Bau im schmutzigen Blaumann eine Frau ist. Manche Eltern bei einem Familienspaziergang mit ihren Kindern sind auch nicht so eindeutig zu unterscheiden: wer ist nun Vater beziehungsweise Mutter – aber eigentlich ist es ja auch egal, denn hier wird jeder mit seiner Art und seinem individuellen Aussehen wie ein Mensch behandelt und respektiert – irgendwie echt tolerant, da könnte so manch eine Gesellschaft gut in die Lehre gehen!
Viele Grüße aus dem Südseeparadies Taiohae, Insel Nuku Hiva, Marquesas Archipel, Französisch Polynesien
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind