Datum: 15. Juni 2018
GPS-Position: S 16°37,598‘, W 143°34,290‘
Wir liegen immer noch mit Heckanker und Landleinen am Pier im Makemo- Atoll vor dem Ort Pouheva auf 3,2m Wassertiefe in kristallklarem, türkisblauem Lagunenwasser
Aktuelles Wetter: wechselhaft zwischen Regenschauern und strahlend blauem Himmel, bei feuchten 29,0°C im Schiff, Wassertemperatur kühle 27,2°C, Wind 4 bis 6 Beaufort aus Ost, die Pier bietet uns Schutz vor den Windwellen.
Es war am Pier doch nicht so ruhig wie wir anfangs dachten, denn während unseres zweiten Tages am Pier drehte der Wind auf Südwest und blies mit drei Windstärken genau auf unseren nun nicht mehr geschützten Liegeplatz – blöd gelaufen, aber der nächste für diese Windrichtung geschützte Platz ist ca. 25 Seemeilen entfernt!
So spannten wir noch ein paar Extraleinen und waren auf dem Sprung, während der Motorschlüssel steckte, für den Fall das unser Heckanker nachgegeben hätte. Der Heckanker trug die Hauptlast und verhinderte, das wir auf die Pier gedrückt wurden. Aber alles hielt und so blieb es nur ein angespannter Tag.
Bei jedem Gang ins Cockpit galt unser erster Blick dem schimmernden Wasser – was schwimmt denn nun wieder unter uns?
In der Regel entdecken wir immer wieder etwas Spannendes: Nasen- Fische, Familie Nemo, braune Kastenfische, deren Augen lange Wimpern haben und irgendwie sogar ein wenig Augentusche drum herum, Pfeilfische in großen Schwärmen, die kurz unter der Wasseroberfläche nach Futter suchen, Zebrafische mit einer knalle gelben Schwanzflosse, ein paar Normalos unter den Exoten und an einem Abend kurz vor der Dämmerung schwammen zwei große Rochen auf dem Meeresboden vorbei. Die Bezeichnung der Fische basiert natürlich auf unserer eigenen Definition, da wir auf dem Gebiet nahezu völlig unkundig sind und die Leute uns hier sowieso nur unaussprechliche polynesische Namen nennen oder einfach nur Fisch sagen.
Am Sonntag, den 03. Juni 2018 zog es uns zum Morgengottesdienst in die größte Kirche der Tuamotus. Sie war fast bis auf den letzten Platz besetzt, wobei die Hälfte der Plätze durch Internatsschüler besetzt war. Kinder und Jugendliche aus den umliegenden Atollen gehen auf Makemo gemeinsam in Collage- Internat. Der Gottesdienst wurde in einem Mix aus Französisch und Polynesisch gehalten und vor allem wurde viel gesungen – auf Polynesisch natürlich, was dem ganzen einen echt exotisch schön klingenden Rahmen bot. Anschließend umlagerten uns noch einige Kinder, die ihr gesamtes Englisch-Repertoire an uns ausprobierten und uns so die ganze Zeit fragten: „What is your name?“
Für ein paar ruhige Tage konnten wir uns mit einigen notwendigen Dingen beschäftigen und versuchen herauszufinden warum denn unsere Entsalzungsanlage muffig schmeckendes Trinkwasser produziert. Das Ding läuft jetzt jeden Tag und ab und an liefert sie dieses muffig schmeckende Trinkwasser. Wir werden sie länger einschalten, dann scheint es besser zu sein. Das Zubereiten unseres Essens ist ebenfalls eine zeitraubende Aufgabe zumal Asha versucht mit einem möglichst geringen Gasverbrauch, wenig frischem Gemüse und den einseitig verfügbaren Lebensmitteln immer wieder unterschiedliche Leckereien zuzubereiten. Ab und an geht sie dabei auch mal an unsere tief eingegrabenen „Schätze“ in den Staukästen und zaubert einen Labskaus, oder in den Läden findet sie Eier um daraus einen Kaiserschmarren zu bereiten, arme Ritter kommen auf den Tisch wenn wir gerade mal wieder beim Brotkauf übertrieben zugeschlagen haben, weil wir eigentlich weiter wollten und außerdem noch genug Eier da sind. Gestern gab es eine Pfannenpizza mit Aprikosen und einer Dose Schweinefleisch als Auflage. Natürlich reinigten wir Gegenwinds Unterwasserschiff wieder und fetteten ihren Propeller. Außerdem sitzen wir jeden Tag mehrere Stunden über Wetterdaten, Gezeitentafeln, Riff- Ein- und Ausfahrten und unseren möglichen Strecken und der erschreckend schnell rasenden Zeit.
Selbstverständlich nutzen wir die Gelegenheiten zum Schnorcheln, wobei wir unter und um Gegenwind immer wieder etwas Neues entdecken. Direkt unter Gegenwind sitzen ein paar handgroße, korallenfarbige Muscheln die sich zeitweise ein Stückchen öffnen und dann marineblaue oder kräftige türkisfarbene Münder zeigen. Weiße Fische mit bunten Tupfern stecken zwischen den Korallen und Aquarium große knalle blaue Fischschwärme tummeln sich um Korallenköpfe, während eine Moräne in ihrem Versteck auf Beute wartet. „Madame brauner Kastenfisch“ versuchte sogar einmal Helges Zeh anzuknabbern, als er auf der Badeleiter stand um ins Wasser zu gehen.
Eigentlich wollten wir schon längst weiter, aber wir fanden bisher kein passendes Segelfenster, im Gegenteil. Der Wetterbericht versprach uns vier Meter hohe Wellen auf See mit Warnungen für die Tuamotus und einen Wind der sich einmal um die Kompaßrose drehen sollte und von seinem südlichen bis östlichen Sektor auch einiges an Wind androhte. Die hohen Wellen auf See konnten wir von unserem Liegeplatz aus auf der ca. fünf Seemeilen entfernten Riffseite, wie große Explosionen in die Luft schießen, sehen. Außerdem bekamen die nahe am Ufer gelegenen Häuser durch den, bedingt durch die Wellen, hohen Wasserstand im Atoll nasse Füße während Uferstückchen überflutet wurden.
Wir brachten einen zweiten Anker aus – unseren Buganker, den wir ein gutes Stück nach achtern schleppten, damit der unseren Heckanker ein wenig entlasten sollte. So präpariert ging es am Sonntag, den 10 Juni 2018 in die erste Nacht mit Wind aus Süd mit leichter Westtendenz und schon lagen wir mitten im Schwell, der sich in der Lagune aufbaute. Gegen 23:00 Uhr knallten die Wellen so gegen Gegenwind, das die Gischt sogar in unsere Kojen klatschte und Gegenwind einen Heidentanz vollführte. Wir packten unsere Notfallbeutel – das erste Mal, das wir dabei fest am Steg vertäut waren und kontrollierten ständig die Leinen, während Gegenwind unter unseren Füßen bockte, mit Gischt um sich warf aber tapfer standhielt. Natürlich schliefen wir nicht mehr und so starteten wir hundemüde in den folgenden Tag. Als der Wind dann schwächer wurde paßten wir unsere Leinen noch einmal an und ein Einheimischer half uns unseren Buganker umzulegen – der Kerl ging mit Schnorchel und Taucherbrille ausgerüstet die drei Meter Wassertiefe runter, holte unseren 16 kg Anker inklusive einige Meter Kette an die Wasseroberfläche und fragte uns dann schwimmenderweise wohin damit… . Helge hatte denselben Anker beim Ausbringen auf dem Grund mal gerade so ein paar Zentimeter verrücken können.
Der Wind wehte weiterhin mit einer frischen Brise und legte sogar noch bis auf Windstärke sieben zu, drehte dabei aber weiter auf östliche Richtungen. Dafür bietet uns die Pier genügend Schutz gegen Wind und Wellen. Die Nächte blieben für uns allerdings weiterhin unruhig und tagsüber blieb immer einer von uns an Bord.
Wir suchen immer noch ein Wetterfenster zum Weitersegeln – das ist eine echte Tagesbeschäftigung – aber wenn jetzt vielleicht doch alles klappt, dann haben wir vielleicht bald eine Chance…
Viele Grüße aus Makemo, Tuamotus, Französisch Polynesien
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind