Reinschiff und es wird ein schöner Tag

Gegenwind wird auf Hochglanz poliert

Gegenwind wird auf Hochglanz poliert

Nachdem wir am Freitag, den 30. September 2016 von unserem Trip aus Panama City zurückgekehrt waren und Gegenwind nun schon mal in der Marina lag, wollten wir uns nicht sofort wieder von einer warmen Dusche, einem einfachen Zugang zum Land und kostenfreiem Brauchwasser am Steg trennen. So beschlossen wir also noch eine Zeitlang an unserem Stegliegeplatz in der Bocas Marina zu bleiben und einmal richtig Reinschiff zu machen – nach über eineinhalb Jahren auch mal wieder Zeit. Außerdem zeigte Gegenwind uns bei der hohen Luftfeuchtigkeit von über 90% inzwischen auch immer wieder hier und da ein paar Spark- und Schimmelflecken.

Wir kramten nun also einmal alles aus den tiefsten Tiefen ans Tageslicht, inspizierten und wenn nötig reinigten, entsorgten, reparierten oder verpackten es einfach wieder neu. Geplant waren dafür zwei bis drei Tage… .

Naja, so wären wir wohl im kalten Deutschland hingekommen. Aber mit dem Karibikfaktor brauchten wir dann doch nur knappe vier Wochen bis wir fertig waren und alles wieder sauber verstaut hatten. Kaum zu glauben – oder?

Wir wollen einmal versuchen unsere Langsamkeit zu schildern, aber wir verstehen, wenn das keiner im kühlen Klima wirklich nachvollziehen kann, denn noch vor unserer Abreise hätten wir das auch angezweifelt.
Unser üblicher Tagesablauf in der Marina begann in der Regel morgens zwischen 06:30 und 07:00 Uhr, denn dann wachten wir aufgrund der Temperaturen von 30°C und den herumsurrenden Fliegen, Mücken sowie vor allem den Bissen der Sandfliegen von alleine auf. Nach ein wenig Recken und Strecken nutzte Helge den Steg für sein morgendliches Yoga – der Schweiß lief schon und die Bisse der Sandfliegen mehrten sich! Wie jeden Morgen lauschten wir dann der Funkrunde um 07:45 Uhr.

Die Funkrunde wird von hier liegenden Seglern und ansässigen Auswanderern organisiert. Es geht dabei um Notfälle, das Wetter, wer braucht Unterstützung, Veranstaltungen und einen allgemeinen Austausch oder einfach nur um ein „Hallo“ im Bocas Archipel. Ziemlich häufig hieß es dabei im Wetterbericht: „Es wird ein schöner Tag!“. Also eine ideale Aussage für Sonnenhungrige, aber die Segler verschwinden dabei normalerweise in ihren Schiffen und die ansässigen Auswanderer schließen die Türen und die Klimaanlagen werden hochgefahren! Der blaue Himmel wird aus gut klimatisierten Räumen beobachtet. Wer diese Möglichkeit nicht hat, der versucht es wenigstens mit Ventilatoren oder im schlimmsten Fall, nämlich ohne jeden Luxus an Kühlung einfach nur mit möglichst wenig Bewegung, wobei trotzdem Sturzbäche von Schweiß fließen und jede Bewegung zur Erschöpfung führt – das ist der karibische Sommer (Mai bis November)! Leider gehören wir zu denen, die keine Klimaanlage an Bord haben und da es hier häufig windstill war und somit nicht genug Strom in unsere Batterie gelangte, lief nicht einmal unser kleiner Ventilator. Den Landstrom vom Steg konnten wir nicht nutzen, da es das amerikanische 110V- System ist und zusätzlich zurzeit keine Stecker zu verfügbar waren. Den Motor nutzten wir nur selten zum Laden der Batterie, da damit die Temperatur im Schiff weiter anstieg. So ging es uns also wie vielen Einheimischen – wir waren einfach nur erschöpft von jeder kleinen Tätigkeit.

Nichtsdestotrotz begannen wir nach der Funkrunde unser Frühstück. Normalerweise saßen wir dazu bei geschlossenen Türen, die Sonne aussperrend, im Salon auf dem Fußboden, dem einzig freien und dazu kühlsten Platz an Bord – trotzdem floß der Schweiß bei inzwischen über 30°C. Die Kojenpolster waren übrigens aufgestellt, damit der Schweiß der Nacht andünsten konnte, denn Vorschiff und Hundekoje waren zu Stauräumen umfunktioniert.
So gingen wir dann, allerdings schon erschöpft, ans Tagwerk: Polster raus, Stauräume unter den Kojen und Schränke ausräumen, verstaute Kleidung durchwaschen, alles auswischen, Technik überprüfen und zum Schluß noch einmal den Rumpf polieren. Natürlich nicht alles auf einmal, sondern immer nur ein Teil zur Zeit, denn wir mußten Abends ja alles wieder an seinem Platz haben zum Schlafen an Bord.
Segelbekleidungen, Decken, Vließpullies überfordern die lokalen Wäschereien, so daß Asha die Wäsche von Hand auf dem Steg in der prallen Sonne erledigte, festgefressene Reißverschlüsse wieder gängig machte, unser Regenzeug vom Spark befreite und versparkte Lederteile aussortierte. In der Zeit kümmerte sich Helge um die Reinigung und die Technik in und unter den Kojen. Bei 35°C im Schiff mußte er fast mehr eigenen Schweiß aufwischen als Spark und Schimmel, der sich allerdings in vielen Ecken und Kanten eingenistet hatte. Spätestens nach einer halben Stunde Arbeit brauchten wir eine Pause, um die verlorene Flüssigkeit wieder aufzufüllen und einfach mal Luft zu holen. Unser Tagesverbrauch an Trinkwasser lag bei ca. vier Litern pro Person. So hangelten wir uns von Pause zu Pause durch die Arbeit. In den frühen Nachmittagsstunden zauberte Asha in dem Reinschiffchaos ein Mittagsmahl, die Temperatur erhöhte sich weiter auf um die 36°C. Dann ging es wieder weiter mit der Arbeit bis ca. 17:00/ 18:00 Uhr. Zu der Zeit spurteten wir vor den Moskitos noch einmal zur Dusche und damit beendeten wir unsere tägliche Arbeit, denn zum Einen wurde das Wasser auf dem Steg zum Abend abgestellt und zum Anderen mußte Gegenwind für die Nacht hergerichtet werden. Dazu gehörte als wichtigstes das Aufspannen von Moskitonetzten über den Luken und über dem Cockpit, das Anzünden einer Moskitoräucherspirale und wir rieben uns mit allem was irgendwie Moskitos und Sandfliegen abhalten soll (Kokusnußöl oder Insektenspray) ein, um dann durchzuhalten. Moskitos werden zwar durch unsere europäischen Moskitonetzte ausgesperrt, aber Sandfliegen schlüpfen ganz einfach durch das Netz hindurch. Nachdem die Netzte gespannt waren, unternahmen noch wir die letzten schweißtreibenden Anstrengungen um Gegenwind bis zum kommenden Tag wieder bewohnbar zu machen. Beim Dunkelwerden gegen 18:30 Uhr waren wir meist völlig erschöpft, saßen mit einem Buch oder einem Film im Salon und kratzten uns bei 31°C schwitzend in den Abend hinein. Vor dem Schlafengehen zu „Sailors Midnight“ – gegen kurz nach 21:00 Uhr waren wir zwar todmüde, aber das jucken der Sandfliegenbisse und die Temperatur von immer noch 29°C verleiteten nicht zum Gang in die Koje. Wir rieben die Bisse gegen den Juckreiz noch mit Essig ein, und krochen dann doch irgendwie in die Koje. Die Nächte bei den Temperaturen waren meist unruhig und wenig erholsam. Und sogar während der Nacht lag unser Wasserkonsum meist bei ein bis eineinhalb Litern. Der neue Tag konnte also kommen.

Zwischen all dem Reinschiff mußten wir uns natürlich immer wieder um Trinkwasser kümmern, und frische Lebensmittel einkaufen, was halbe bis ganze Tage in Anspruch nahm. Trinkwasser gewinnen wir möglichst aus gesammeltem und gefiltertem Regen, denn das ist das günstigste und sauberste, hat allerdings den Nachteil, daß wir zu jeder Tages und Schlafenszeit auf dem Sprung sind um die Kanister zu füllen, wenn es denn lohnenswert regnet.

Nachdem wir endlich alle Schapps, alle Schränke, alle Bodenbretter, sämtliche mitgeschleppte Nordseekleidung sauber hatten, ging es am Dienstag, den 25. Oktober 2016 wieder zurück auf unseren Ankerplatz vor Bocas Stadt.

Viele Grüße aus Bocas del Toro, Panama
Asha & Helge
Crew der SY Gegenwind

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